Die allgemeine Verkehrsauffassung bezüglich Tattoos hat sich gewandelt. Sie sind heute vielfältiger Ausdruck von Exklusivität, Kommunikation und Kunst. Tätowierer betrachten sich meist als Künstler und ihre Kunden als Leinwände. Die Schwerpunktverschiebung von handwerklicher Arbeit zur künstlerischen Gestaltung ist deutlich. Tattoos sind mittlerweile als Kunstform anerkannt und werden in Museen ausgestellt. Tattoos gelten im weiteren Sinne als bildende Kunst. Zusammenfassend sind Tattoos meist vergleichbar mit Grafik-Design, Illustration oder Kunstmalerei.“
(SG Hamburg, Urteil vom 18.06.2020 – Az. S 48 KR 1921/19 - openJur 2020, 47924)
Tätowierende schaffen täglich Skizzen, Zeichnungen, Gemälde und Designs. Allein die Tatsache, dass dies auch auf dem Medium Haut geschieht, gilt offenbar vor Gericht als Ausschlusskriterium für die Einstufung als Kunst.
Gatekeeper der Institutionen sind zögerlich, unser Genre als Kunstform anzuerkennen. Zu groß ist die Angst, man könnte ein Phänomen adeln, welches in den vergangenen 200 Jahren zahlreiche Anfeindungen erlebt hat.
In der Mitte der Gesellschaft sind Tätowierungen längst als Kunst integriert und auch zahlreiche Ausstellungen in Museen und Galerien, denen Tätowierkunst zu Grunde liegt, sollten längst die Wertschätzung dieser Kunstform vermuten lassen. Was fehlt, ist jedoch die Anerkennung, der Ausweis kulturellen Kapitals, die Einstufung des Tätowierens als künstlerische Tätigkeit!
Von Seiten der Behörden und der Künstlersozialkasse wird das Tätowieren häufig als „manuell-technische Fähigkeit“, also als Handwerk bezeichnet. Wir fordern aber, dass eigenschöpferisch tätige Tätowierer*innen, die offensichtlich künstlerisch arbeiten, ebenso wie die Ausübenden anderer künstlerischer Berufe wie z.B. Illustrator*in, Grafiker*in und Designer*in die Möglichkeit bekommen sollen, freiberuflich zu arbeiten und sich in der KSK zu versichern.
Den Tätowierer*innen wird in Deutschland der Zugang der Künstlersozialkasse seit Jahrzehnten verwehrt (aktuell sind es bundesweit insgesamt nur 6 dort aufgenommene Tätowierer) Ein Unding, wenn man bedenkt, dass es sich hier um eine der ältesten
Kunstformen der Menschheit handelt.
Das steht schon so im Grundgesetz (Artikel 5 Absatz 3). Und was bringt uns mehr als Freiheit? Noch mehr Regeln und Normen helfen nicht etwa den Tätowierern, sondern der Industrie! Die
Weiterentwicklung kann nur aus dem Kreis der Ausübenden der Kunst des Tätowierens kommen. Die Könner einer Kunst prägen deren Entwicklung, nicht die Zubehörindustrie und / oder die Politik.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich der Tätowierer Christian Warlich für die Anerkennung der Tätowierung als Kunstform ein. Sein Freund und Kollege Herbert Hoffmann führte nach
dessen Tode diese Arbeit erfolgreich fort. Auch Spider Webb, der selbst Kunst studierte, macht sich seit den 1970er Jahren für die Anerkennung der Tätowierung als Kunstform stark.
Wir versuchen auf verschiedensten behördlichen Ebenen eine Anerkennung des Tätowierens als Kunstform zu erreichen. Dies gilt nicht nur für die Künstlersozialkasse (KSK), sondern auch auf Ebene der Politik, der Ämter und Institutionen. Das bedeutet eine ganze Menge für die Zukunft des Tätowierens:
Durch mehrere Briefaktionen ist es uns gelungen, Aufmerksamkeit der Politik zu gewinnen. Wir haben dort Unterstützung erfahren und ein persönliches Treffen mit der KSK erreicht. Weitere Aktionen auf kulturpolitischer Ebene sind geplant und werden folgen.
Wir organisieren, veranstalten und unterstützen Kunstausstellungen und -Aktionen : LINKS FOLGEN IN KÜRZE
Ihr könnt unsere Arbeit unterstützen:
Erzählt Freundinnen und Freunden, Bekannten, Kundinnen und Kunden vom Verein, macht auf den Missstand der Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Künsten aufmerksam. Beteiligt euch an unseren
Aktionen. Organisiert Ausstellungen und erreicht öffentliche Aufmerksamkeit durch Kunstaktionen. Werdet Mitglied in Euren regionalen Kunstvereinen.
Es handelt sich bei beiden Tätigkeitsformen um selbstständige Tätigkeiten.
Übt man das Tätowieren gewerblich aus, gibt es generell mehr Regelungen, denen man unterliegt und eine größere Möglichkeit der Regulierung durch höhere Institutionen. Zudem muss man Gewerbesteuer
zahlen, die man als Freiberufler nicht zahlen muss.
Eine freiberufliche Tätigkeit ist nach deutschem Recht kein Gewerbe und unterliegt daher weder der Gewerbeordnung noch der Gewerbesteuer. Als Freiberufler ist man lediglich zur Erbringung einer
Einnahmenüberschussrechnung (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) verpflichtet. Der Gewinn wird dabei als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben berechnet. Als Freiberufler,
insbesondere als Künstler*in, hat man im Rahmen der Kunstfreiheit mehr Möglichkeiten, freier und selbstbestimmter zu arbeiten.